Neujahrsansprache 2024

von Mark Eberli

Die reformierte Kirche war sehr gut gefüllt. (ani)

Andreas Nievergelt im Stadtblatt App vom 4. Januar 2024

Umrahmt von der «Riverside Pipe Band» hielt Stadtpräsident Mark Eberli gestern seine traditionelle Neujahrsansprache. Da es draussen regnete, wurde der Anlass kurzfristig in die reformierte Kirche verlegt. Nach dem Anlass waren alle zu einem Apéro eingeladen. Hier nun die Ansprache im Wortlaut

Liebe Bülacherinnen, liebe Bülemer - äs guets Nois!

Vor einem Jahr beschäftigte uns das vergangene Krisenjahr und dass wir in einer Welt leben, die «Kopf steht» und in einer Zeit, die durch Unsicherheit und Fragilität geprägt ist.

Inzwischen ist keine Besserung eingetreten, sondern an einigen Orten der Welt ist es leider noch schlimmer geworden. Neben dem anhaltenden Konflikt in der Ukraine, haben Krieg und Terror am 7. Oktober auch in Israel eine unfassbare und abgrundböse Dimension bekommen. Wir haben bestürzt mitbekommen, was blanker Hass und Verachtung anrichten können. Wie Menschen rund um die Welt den Terrorakt an Israel bejubelt haben, macht mich traurig, sowie auch das Leid der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten des Krieges. Es macht mich tief betroffen, erfahren zu müssen, dass antisemitisches Gedankengut in unserem Land und auch in Europa wieder aufkeimt.

Wir dürfen diese Entwicklung nie zulassen und müssen uns immer wieder in Erinnerung rufen, auf welchem Fundament unsere Gesellschaft aufgebaut ist. Unsere Werte basieren, unter anderem, auf der Überzeugung, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben, dass Frauen und Männer gleichwertig sind, dass wir uns gemeinsam um die Schwächeren kümmern und wir auch Minderheiten schützen wollen. Unsere Freiheit, sowie auch unsere Grundlagen des Zusammenlebens, ja die Menschenrechte überhaupt, beruhen auf den jüdisch-christlichen Grundwerten. Unsere Verfassung und unsere Gesetze sind auf diesen Grundwerten aufgebaut. Es sind sinnvolle und kostbare Werte, denen es gilt, Sorge zu tragen und sie zu verteidigen.

In Anbetracht der Kriege wird uns vor Augen geführt, wie zentral und fundamental der Wert des Friedens ist.

Baruch de Spinoza, ein niederländischer Philosoph aus dem 17. Jahrhundert, beschrieb den Frieden folgendermassen: „Friede ist nicht die Abwesenheit von Krieg. Friede ist eine Tugend, eine Geisteshaltung, eine Neigung zu Güte, Vertrauen und Gerechtigkeit."

Für mich bedeutet dieses Zitat auch, dass ich mich immer wieder bewusst für den Frieden entscheiden will. Und geht es dabei nicht auch in erster Linie um den inneren Frieden in unseren Herzen, der Auswirkungen hat auf die Beziehungen zu unseren Mitmenschen? «Stets den Frieden zu suchen», hat eine grosse Bedeutung für uns selbst und für unsere Gesellschaft. Jede zur Versöhnung ausgestreckte Hand ist ein Schritt hin zum Frieden in der Welt.

Die Menschen suchen und finden den inneren Frieden auf unterschiedlichste Weise. Persönlich erlebe ich durch den Friedenstifter Jesus Christus, der mir durch sein Leben und sein Handeln ein Vorbild ist, diesen inneren Frieden, welcher sich auch in schwierigen Umständen bewährt.

Vom bekannten Schriftsteller und Theologen Dietrich Bonhoeffer, der im zweiten Weltkrieg im KZ starb, stammen folgende Ausführungen: „Frieden haben heisst, sich getragen zu wissen, sich geliebt zu wissen, sich behütet zu wissen. Mit einem Menschen Frieden haben heisst, auf seine Treue unerschütterlich bauen können, heisst, sich von ihm vergeben wissen. Frieden haben heisst, eine Heimat haben in der Unruhe der Welt, heisst festen Boden unter den Füssen haben, da mag nun die Welle branden und toben, sie können mir meinen Frieden nicht mehr rauben, mein Friede hat mich frei gemacht von der Welt, stark gemacht gegen die Welt, reif gemacht für die andere Welt.“

Auch wenn uns die Entwicklungen auf der Welt und viele Themen in unserer Gesellschaft nachdenklich stimmen, wünsche ich mir, in einer Stadt zu leben, in der wir alle den Frieden suchen, den Frieden in uns, den Frieden in unseren Familien, den Frieden mit unseren Freunden und den Frieden in unserer Nachbarschaft.

Nach diesen besinnlichen Gedanken komme ich auf unsere Stadt zu sprechen.
In der Stadt Bülach zu leben, in einer Stadt, in der so vieles, für eine Lebensqualität auf höchstem Niveau, geboten wird, ist ein Vorrecht. Wir sind in der Schweiz so privilegiert. Nirgends auf der Welt sind die Grundbedürfnisse, wie Sicherheit und Versorgung, so gut abgedeckt, wie hier. Deshalb haben wir viel Grund zur Dankbarkeit.

Ich freue mich über die vielen Vereine, Institutionen und Kirchen, welche mit viel Einsatz und Herzblut dafür sorgen, dass Menschen in unserer Stadt ihren Interessen und Leidenschaften nachgehen können, dass viele Menschen Gemeinschaft erfahren und manche dabei sogar eine Art Familie finden.

Ich freue mich über die vielen genialen Veranstaltungen, die unsere Stadt bietet. Letztes Jahr hatten wir zwei grosse Highlights mit den Jazztagen und der BüliMäss. An dieser Stelle bedanke ich mich für den grossartigen Einsatz vieler Gewerbetreibender und vieler Freiwilliger, die diese Anlässe ermöglicht haben.

Ich freue mich über die vielen Strassenfeste, die auch dieses Jahr wieder stattfinden werden. Ein grosses Dankeschön an alle, die sich so für ihr Quartier, für ihre Strasse und Nachbarschaft engagieren. Ich habe schon vielfach gehört, dass diese Begegnungen an einem Strassenfest zu einem besseren Zusammenleben geführt haben.

Ich freue mich über die positive Entwicklung unseres Innovationszentrums für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Im Jahr 2024 folgen spannende Projekte, die das «digital health center» zu einem Leuchtturmprojekt von nationaler Ausstrahlung machen werden. Ein grosses Dankeschön gilt unserem Geschäftsführer Stefan Lienhard, der letztes Jahr enorm viel dafür investiert hat.

Ich freue mich riesig über die verbesserte politische Kultur und den wertschätzenden Dialog zwischen Stadtrat und Parlament. Wir haben viele Herausforderungen vor uns und wir können diese nur gemeinsam meistern.

Herausforderungen

Das Bevölkerungswachstum, das einen Ausbau der Infrastruktur zur Folge hat und die damit verbundene Integration aller «Neubülacherinnen» und «Neubülacher» in das gesellschaftliche Zusammenleben unserer Stadt, ist eine grosse Herausforderung für Bülach. Die vielfältigen Angebote, um sich in Bülach kennen zu lernen, sind dabei sehr hilfreich.

Die Zentrumsentwicklung wird uns in den kommenden Jahren beschäftigen. Das sich, durch das Internet, verändernde Einkaufverhalten, hat massive Auswirkungen auf die Zentren der Städte. Die sogenannte «Entleerung der Innenstädte» ist ein fortschreitendes Problem, das auch uns treffen könnte. Das Zentrum ist für alle, inklusive für die jüngeren Generationen, nicht nur ein Einkaufsort, es ist vielmehr und zunehmend ein Ort der Begegnung. Deshalb kommt der Gastronomie eine wachsende Bedeutung zu. Noch müssen wir nicht gegen die gefürchteten Leerstände kämpfen, aber wir sollten rechtzeitig dafür sorgen, dass die Aufenthaltsqualität gesteigert wird. Es ist wichtig, dass der Ladenmix im Zentrum attraktiv bleibt, dass die Frequenzen im Zentrum gesteigert werden und dass die Menschen aus Bülach und der gesamten Region gerne und regelmässig ins Bülacher Zentrum kommen.

Aus diesem Grund wird der Stadtrat dem Parlament einen Kreditantrag für eine dreijährige Pilotphase einreichen, damit wir zusammen mit dem Verein «BülachStadt» und der freundlichen Unterstützung des Gewerbes Bülach, eine professionelle «Kümmererin» oder einen «Kümmerer» für das Zentrum beauftragen können.

Unser Stadtzentrum, mit seinen unterschiedlichen Räumen, hat ein grosses Potential und ich bin überzeugt, dass sich das Zentrum, mit gemeinsamem Engagement, sehr attraktiv entwickeln wird.

Das künftige Verkehrsregime an der Marktgasse kommt am 3. März zur Abstimmung. Die Initiative würde, aus Sicht des Stadtrates, zu stark und absolut in die künftige Verkehrsplanung der Altstadt eingreifen. Der Stadtrat will, gemäss seinem Gesamtverkehrskonzept, schrittweise und mit Testphasen, eine autoarme Marktgasse entwickeln. Da sich die direktbetroffenen Bewohnerinnen und Bewohner mehrheitlich für die Beibehaltung der jetzigen Begegnungszone ausgesprochen haben, lehnt der Stadtrat auch den Gegenvorschlag ab.

Am 3. März stimmen wir über eine wichtige Vorlage für unseren Sport- und Erholungspark im Erachfeld ab. Mit dem benötigten Kredit können wir die zu kompensierende Fruchtfolgeflächen, für das gesamte städtische Land erwerben und so in naher Zukunft ein Projekt für den regionalen Sport- und Erholungspark präsentieren.

Ich hoffe auf eine hohe Stimmbeteiligung, es geht um die Zukunft und die Entwicklung unserer wachsenden Stadt.

Die Suche nach einer geeigneten Zwischenlösung für den Ersatz der Kantine, welche im August für den Bau des Schulhauses Guss, weichen muss, steht an. Gedulden müssen wir uns auf das vielversprechende Kultur- und Begegnungszentrum (KuBeZ), weil der Gestaltungsplan im Sonnenhof noch ergänzt und optimiert werden muss. Da wir damit rechnen müssen, dass die Wartezeit auf das KuBeZ einige Jahre dauern wird, ist mir persönlich eine gute Zwischenlösung von grosser Bedeutung! Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung finden werden.

Im Sommer dieses Jahres ist bereits Halbzeit der Legislatur. Am 4. September wird der Stadtrat eine erste Bilanz präsentieren und Ihnen darlegen, wo wir genau in der Erreichung der Legislaturziele stehen, bei welchen Zielen wir auf Kurs sind und wo wir vielleicht mit Verzögerungen rechnen müssen. Bei der Präsentation der Legislaturziele hatten wir eine rekordhohe Präsenz und ich würde mich sehr freuen, wenn auch Sie am 4. September 2024 mit dabei sein sind!

Riverside Band

Dank

Im Namen des Stadtrates ist es mir, auch dieses Jahr, ein grosses Anliegen, allen ganz herzlich zu danken, die sich das ganze Jahr über für das Wohl unserer Stadt einsetzen. Danke allen Freiwilligen für ihre wertvolle Investition. Weil das Parlament dieses Jahr über eine Erhöhung des städtischen Betrags entscheiden wird, möchte ich dieses Jahr insbesondere der Nachbarschaftshilfe und ihrer Leiterin Alexandra Erbarth danken. Sie koordiniert und vermittelt seit über zehn Jahren, treu und mit grösster Hingabe, Hilfesuchende und Hilfeleistende. Eine grossartige Arbeit, die zur Folge hat, dass auch der Einsamkeit unserer Gesellschaft begegnet wird.

Neujahrswünsche

Für das neue Jahr wünsche ich Ihnen viele freudige Erlebnisse. In traurigen Momenten möge Ihnen dennoch übernatürliche Hoffnung und Zuversicht Kraft für den Alltag geben.
Möge dieses neue Jahr Ihnen bereichernde Begegnungen und immer wieder Momente der Ruhe und Besinnung schenken.

Ich wünsche, dass Sie respektvolle Anerkennung und Wertschätzung in Ihrem Alltag erhalten und es Ihnen gelingt, diese auch weiterzugeben. Sie bereichern damit unser Stadtleben.

Ich wünsche Ihnen ein erfülltes und von Gott gesegnetes neues Jahr.
Mark Eberli, 2. Januar 2024

Zurück